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Kein stillschweigender Fortbestand eines Verwaltungsratsmandats

Das Bundesgericht hatte sich bisher nicht zu der in der Lehre umstrittenen Frage geäussert, ob die Amtsdauer der Verwaltungsratsmitglieder sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres eo ipso endet oder ob sich deren Amtszeit stillschweigend verlängert, wenn anlässlich der ordentlichen Generalversammlung eine Wiederwahl nicht stattfindet oder eine Generalversammlung gar nicht erst durchgeführt wird. Mit seinem Urteil 4A_496/2021 vom 3. Dezember 2021 entschied das Bundesgericht nun mit Verweisen auf die unterschiedlichen Lehrmeinungen und seine eigene Rechtsprechung diese Frage:

Gemäss Art. 698 Abs. 2 Ziff. 2 OR wählt die Generalversammlung den Verwaltungsrat und die Revisionsstelle. Dabei handelt es sich um ein unübertragbares und unentziehbares Recht der Generalversammlung. Die Mitglieder des Verwaltungsrates werden auf drei Jahre gewählt, sofern die Statuten nichts anderes bestimmen. Die Amtsdauer darf jedoch sechs Jahre nicht überschreiten (Art. 710 Abs. 1 OR). Nach Art. 699 Abs. 2 OR findet die ordentliche Versammlung alljährlich innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres statt, ausserordentliche Versammlungen werden je nach Bedürfnis einberufen.

Das Bundesgericht betont aufgrund dieser gesetzlichen Bestimmungen die Willenskundgebung der Generalversammlung. Es fordert, dass die Generalversammlung ihr Wahlrecht durch explizite Willenskundgebung wahrnehmen kann, und somit eine Fortsetzung des Verwaltungsratsmandats nur bei positiver Willensäusserung greift. Andernfalls bestünde die Möglichkeit, dass die Aktionäre ihr Wahlrecht nicht ausüben können, wenn der Verwaltungsrat sich weigert, überhaupt eine Generalversammlung einzuberufen bzw. müssten die Aktionäre ein Gerichtsverfahren anstrengen, sofern sie die hierfür erforderliche Beteiligung aufweisen (Art. 699 Abs. 4 OR).

Die Gründe, welche für die Annahme einer stillschweigenden Fortführung des Verwaltungsratsmandats vorgebracht werden, erachtet das Bundegericht dabei als nicht stichhaltig. Den guten Glauben von Dritten in den Handelsregistereintrag sieht das Bundesgericht nicht gefährdet, da Dritte grundsätzlich auf den Handelsregistereintrag vertrauen dürfen, soweit ihnen nicht positiv bekannt ist, dass die Amtszeit der eingetragenen Mitglieder geendet hat (Art. 936b Abs. 3 OR). Die Verwaltungsräte vermögen somit die Gesellschaft gegenüber gutgläubigen Dritten auch nach deren Amtszeit zu verpflichten. Das Gericht sieht auch den Schutz der Gesellschaft, der Aktionäre und allfälliger Gesellschaftsgläubiger vor schädigenden Handlungen der nach Ablauf der Amtszeit nicht wiedergewählten Verwaltungsratsmitglieder gegeben, weil die Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR auch für faktische Organe fortbestehe (m.V.a. BGE 146 III 37 E. 6.1; 128 III 29 E. 3a). Damit äussert sich das Gericht auch zur Frage, in welchem Rechtsverhältnis die trotz Ablauf ihrer Amtszeit nicht wiedergewählten Verwaltungsräte zur Gesellschaft stehen.

Das Bundesgericht hält zusammenfassend fest:

„Das Amt des Verwaltungsrates endet mit Ablauf des sechsten Monats nach Schluss des betreffenden Geschäftsjahres, wenn keine Generalversammlung nach Art. 699 Abs. 2 OR durchgeführt oder die Wahl des Verwaltungsrates nicht traktandiert wurde.“

(BGer Urteil 4A_496/2021vom 3. Dezember 2021, E.3.5).

Ohne einen gewählten Verwaltungsrat fehlt der Aktiengesellschaft aber ein vorgeschriebenes Organ mit seinerseits unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben (Art. 716a OR). Daraus folgt ein Organisationsmangel im Sinne von Art. 731b Abs. 1 Ziffer 1 OR.

Achten Sie daher auf die Durchführung der Generalversammlung innert den gesetzlichen Fristen und protokollieren Sie die Beschlüsse der Versammlung vollständig und formgerecht (vgl. Art. 702 OR), auch wenn die konkreten Verhältnisse im fraglichen Zeitpunkt überschaubar erscheinen.

Author: Christian Bernegger

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