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Am 28. November 2010 nahmen Schweizervolk und Stände die Volksinitiative «Für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)» an.

Die Volksinitiative sah in ihrer ursprünglichen Fassung vor, dass Ausländer, welche in der Schweiz hinsichtlich bestimmter Straftatbestände rechtskräftig verurteilt werden, zwingend für eine Zeitspanne von 5 – 15 Jahren des Landes verwiesen werden.

Die vom Parlament gestützt darauf beschlossene Umsetzung der erwähnten Volksinitiative sah – im Sinne einer ersten «Aufweichung» des ursprünglichen Verfassungstextes vor – dass von einer Ausschaffung krimineller Ausländer ausnahmsweise abgesehen werden könne, wenn diese für den kriminellen Ausländer einen sog. «schweren persönlichen Härtefall bewirken würde». Dabei sei, so die vom Parlament beschlossene Umsetzung weiter, «der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind»; d.h. den sog. «Secondos». Hierzu hat sich in der juristischen Literatur der Begriff des «Härtefalls» eingebürgert.

Die vom Parlament beschlossene Umsetzung sah überdies vor, dass die Landesverweisung auf der Stufe des Vollzugs aufgeschoben werden könne, wenn der «Betroffene ein von der Schweiz anerkannter Flüchtling» sei «und durch die Landesverweisung sein Leben oder seine Freiheit […] gefährdet wäre».

Das Obergericht des Kantons Zug hatte sich neuerdings mit einem Fall zu beschäftigen, in welchem ein Ausländer erstinstanzlich einer versuchten schweren Körperverletzung schuldig gesprochen wurde. Der erwähnte Straftäter wurde im Alter von 17 Jahren als anerkannter Flüchtling in der Schweiz aufgenommen.

Das Obergericht des Kantons Zug erwog dabei, dass seine Flüchtlingseigenschaft nicht erst auf der Stufe des Vollzugs der Landesverweisung, sondern bereits auf der Ebene deren Anordnung geprüft werden müsse. Gestützt auf diese Erwägung kam das Obergericht zum Schluss, dass der betroffene Ausländer nicht des Landes verwiesen werden dürfe. Dies, obwohl er auch durch das Obergericht einer versuchten schweren Körperverletzung schuldig gesprochen wurde.

Diese Argumentation des Obergerichts führt einerseits dazu, dass die ursprüngliche Fassung der Initiative «Für die Ausschaffung krimineller Ausländer» ein weiteres Mal aufgeweicht wird. Die Literatur hat hierzu den Begriff des sog. «unechten Härtefalls» ins Leben gerufen. Andererseits muss nun die Frage gestellt werden, ob diese Rechtsprechung künftig dazu führen wird, dass die schweizerischen Strafgerichte Kompetenzen übernehmen, die grundsätzlich den Migrationsbehörden zustehen, und ob sie überhaupt dazu berechtigt sind.

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